Dorfwirtschaftspläne als Planungsgrundlage der frühen DDR-Jahre

In den Jahren 1951 und 1952 wurden als Grundlage für die staatliche Planung in der 1949 gegründeten DDR, Wirtschaftspläne erstellt. Diese wurden von den Gemeinderäten in den Kommunen, unter Mitarbeit aller gesellschaftlichen Träger, aufgestellt und beschlossen. Heute sind diese Dokumente nicht nur ein Beispiel damaliger Rhetorik, sondern zeigen, wie im Zeitraffer, eine politische Entwicklung auf.

Dorfwirtschaftsplan Jennewitz 1950, Deckblatt

Der erste Entwurf des Dorfarbeitsplans von 1951 ist noch sehr sachlich gehalten. Ich denke, lediglich der Anstoss zur Erstellung dieser Pläne wurde durch staatliche Organe vorgegeben. Die Einzelheiten wurden in einem kleinen Gremium im Herbst 1950 erstmalig ausgearbeitet. Nachdem dieser Entwurf öffentlich und breit diskutiert wurde, war die Endfassung von Januar 1951 bereits deutlich politischer geprägt. Dabei kann ich allerdings nicht erkennen, dass "von oben" Einfluss auf den Inhalt genommen wurde. Dazu wirken Formulierung und Grammatik doch noch etwas ungelenk im Vergleich zu zeitgleich erstelltem Propagandamaterial der SED. Vielmehr sehe ich meine Vermutung bestätigt, dass die gesellschaftliche Entwicklung der jungen DDR kein reines Diktat von Stalin war, sondern durchaus eine basisdemokratische Eigendynamik entwickelte.

Diesen Trend zur Politisierung der Wirtschaft setzte der Wirtschaftsplan 1952 eindeutig fort. Man mag heute schmunzeln über den rhetorischen Spagat zur Verquickung von Weltpolitik mit Gemeindebelangen. Die Wirtschaftspläne sind jedoch urdemokratisch zustande gekommen. Den unmittelbaren Zusammenhang zwischen Dorfstraßenbeleuchtung in der Gemeinde Jennewitz mit dem Weltfrieden hat kein Funktionär der Kreis-, Bezirks- oder gar Republiksebene hergestellt. Dass eine Steigerung der Hühneranzahl in Jennewitz ein Schlag in die "Fratze des imperialistischen Klassenfeindes" war, hatten Bürger aus dem Gemeindeumfeld herausgefunden.

Mein Sarkasmus sollte aber nicht über positive Aspekte dieser Planung "von unten" hinwegtäuschen. Die Fixierung gesellschaftlicher Belange wie Kinder- und Jugendarbeit oder die Errichtung von Sportplätzen ist wohl ein schlechtes Beispiel zur "Abrechnung mit kommunistischen Umtrieben" auf dem Lande, zumal die Wirtschaftslage damals eher angespannt war.

Diese Wirtschaftspläne als Produkt echter Demokratie waren ohnehin nur ein kurzes Experiment. Bereits 1953 bekam die Administration der DDR es wohl mit der Angst vor so viel Basisdemokratie zu tun. Zumindest fühlte sie sich so weit gefestigt, dass wirtschaftliche Pläne fortan als zentrale Vorgaben an die Betriebe gingen. Mit ihren Bauern hatten Partei und Regierung bereits andere Pläne – zum Prozess der Vergenossenschaftlichung werde ich sicher noch einiges zu sagen haben.

Abschließend möchte ich noch bemerken: Zu Häme oder Arroganz, die Versuche der Menschen nach dem Krieg, auch in unserer Region, wirtschaftlich das Beste aus den Gegebenheiten zu machen, sehe ich wenig Anlass. Wenn ich mir die heutigen Versuche der Regierenden zur Wirtschaftslenkung so anschaue … In einem Punkt unterscheidet die heutige Bundesregierung sich überhaupt nicht von der DDR-Regierung – in ihrer paranoiden Angst vor gelebter Basisdemokratie!

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Artikel aktualisiert am 25.08.2023